QAR - Fragen stellen auf unterschiedlichen Kompetenzstufen
nach Taffy Raphael
Formulieren und Beantworten von Fragen an einen Text
Einen im Unterricht gelesenen Text mit Hilfe von Fragen gemeinsam zu rekapitulieren ist eine gängige Methode der Textaufbereitung. Dabei stellt selbstverständlich der Lehrer die Fragen.
Dass die Schüler nun aber die Fragen selbst formulieren sollen, erscheint ihnen zunächst unvorstellbar und unmöglich.
Das Formulieren von Fragen an den Text wird aber als eine der wirksamsten kognitiven Strategien für das sinnentnehmende Lesen verstanden. Es dient der eigenständigen Verstehenskontrolle und der nachhaltigeren Einprägung der gelesenen Inhalte.
Auf der Grundlage der Frage-Antwort-Relationen (QAR) nach Taffy Raphael erfordern die Fragen eine jeweils andere Interaktion mit dem Text. Raphael unterscheidet grundsätzlich vier Fragetypen, wobei er noch einmal unterscheidet zwischen Fragen, die sich ausschließlich auf den angebotenen Text beziehen, und Fragetypen, die im Sinne der Bildungsstandards auf andere Kompetenzen zurückgreifen.
Textbasierte Fragen:
- Fragen zum Erhalt von Informationen, deren Antworten direkt im Text („right there“) zu finden sind, die von den Autor/-innen geliefert werden und daher eher leicht zu beantworten sind.
[Ones whose answers are directly statet in the text (the literal ones)]
- Fragen zum umfassenden Textverständnis, zu deren Beantwortung mehrere Textstellen
kombiniert werden müssen („think and search“), die somit schon schwieriger zu beantworten sind.
[Ones that often require the student to make connections among various ideas literally stat (low-level) inferential ones)]
Wissensbasierte Fragen:
- Fragen zur Reflexion und Bewertung, zu deren Beantwortung Inhalte des Textes mit dem eigenen (Vor)wissen verknüpft werden müssen („author / text and me“), die als schwer gelten, da sie außer einem detaillierten Textverständnis eben auch ein bestimmtes Vorwissen erfordern.
[Ones that often require the student to use background knowledge and go beyond the literally statet information (high level inferential ones)]
- Fragen zur Auslegung (Interpretation) eines Textes, deren Beantwortung zur Gänze auf eigenem Wissen / eigener Erfahrung beruhen („on my own“) und daher ebenfalls schwer zu beantworten sind.
[Ones that require the student to evaluate or to see a new application, perhaps applying the idea to his or her own life (evaluative ones)]
Praxis (Beispiel)
Zum Thema Ester haben die Schülerinnen und Schüler neben dem zu erarbeitenden Text ein Anleitungsblatt erhalten. Im Vorfeld sind die Alkohole sehr ausführlich bearbeitet worden und auch die Carbonsäuren waren bekannt. Durch viele Vorübungen ist die Texterarbeitung mittels Schülerfragen hinreichend geläufig.
Auszug aus Schülerfragen zum Text:
Fragen zum Erhalt von Informationen:
- Wie wird der Name eines Esters gebildet?
- Wie wird ein Ester hergestellt?
Fragen zum umfassenden Textverständnis:
- Ist Ethansäureethylester ein natürlicher, ein naturidentischer oder ein künstlicher Aromastoff?
- Welche Eigenschaften haben Ester und wozu werden Ester verwendet?
Fragen zur Reflexion und Bewertung:
- Sind Ester polare oder unpolare Stoffe?
- Wie lautet die Strukturformel von Pentansäurepentylester?
Fragen zur Auslegung (Interpretation) eines Textes:
- Warum werden künstliche Ester hergestellt, wenn es doch natürliche Aromastoffe (Ester) gibt?
- Könnte man dem Verbraucher auch minderwertige Ware durch Zugabe von naturidentischen Aromen schmackhaft machen?
Methodisches Vorgehen:
Nach einer Phase der Einzelarbeit, die dazu dient, den Text zu überfliegen, gründlich zu lesen und vor allem, um Fragen zu formulieren, kommen die Schülerinnen und Schüler in Zufallsgruppen (Expertengruppen) zusammen, um sich auszutauschen.
Nun können die Fragen im Plenum vorgelesen und wechselseitig beantwortet werden.
Werden zwei verschiedene Texte ausgeteilt, bietet es sich an, vor der Besprechung im Plenum und eine wechselnde Partnerarbeit (Kugellager) einzuschieben, in der sich die jeweiligen Experten den Inhalt der Texte gegenseitig vorstellen. Dabei sollten wenigstens zwei Mal die Partner gewechselt werden.