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Sabine Etzold: Das Latein der Zukunft

Anhänger klassischer Bildung sind um ein Argument ärmer

Dieser Beitrag ist abgelaufen: 15. März 2004 00:00

Latein oder Französisch lernen? Die Debatte wird geführt wie ein Glaubenskrieg: klassisch oder modern, tot oder lebendig, Bildungstradition oder Wissensgesellschaft. Doch die Argumente wechseln die Fronten. Heute ist Fremdsprachenkompetenz angesagt; und da heißt es doch immer, andere Sprachen lernt man leichter mit lateinischem Grundwissen. Um dies zu testen, hat die Kognitionspsychologin Elsbeth Stern vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung 100 Spanisch-Anfänger in zwei Gruppen geteilt - die Hälfte mit Latein-, die andere mit Französisch-Kenntnissen. Alle mussten einen deutschen Text ins Spanische übertragen.

Und siehe da: Die Lateingruppe machte mehr Wortschatzfehler und deutlich mehr Grammatikfehler als die Französischgruppe. Das Fazit von Stern und ihrem Kollegen Ludwig Haag: "Der Lateinunterricht führt weder zu einer allgemeinen Verbesserung der Denkfähigkeit noch zu leichterem Erwerb anderer romanischer Sprachen." Die Frankreich-Fraktion hat nun Oberwasser. Obendrein arbeitet die Zeit für sie. Latein stirbt als Schulfach langsam, aber sicher aus. Doch die Frankophilen sollten sich nicht zu früh freuen. Das Französisch-Interesse deutscher Schüler schwindet gleichfalls. Der Trend geht zum Spanischen: Es wird nicht nur in des Deutschen zweitliebstem Urlaubsland, sondern nach Englisch in der Welt am häufigsten gesprochen. Die Kontroverse lautet also künftig nicht Latein versus Französisch, sondern Französisch versus Spanisch. Ein Trost: Die erprobten Argumente sind wieder verwertbar - Bildungstradition gegen Wissensgesellschaft. Umdenken muss niemand. Das ist das Praktische an der deutschen Bildungsdebatte.

(DIE ZEIT, Ausgabe 8/02, 13.02.03)

| 13.2.2003