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Warum Latein als erste Fremdsprache ?

Eine Information des Ludwig-Georg-Gymnasiums Darmstadt

Warum Latein als 1. Fremdsprache?

Hier wurden einige Gründe zusammengestellt, die für den Besuch eines Altsprachlichen Gymnasiums- wie sie es bis vor ca. 50 Jahren alle waren- sprechen.

(1) Wer Latein lernt, lernt mehr als nur Latein.

Latein ist die Muttersprache vieler europäischer Sprachen. Nicht nur die romanischen "Töchter" Italienisch, Spanisch und Portugiesisch sowie Französisch und Rumänisch gehen direkt auf die Sprache der Römer zurück, sondern auch im Englischen haben 50\%\ der Wörter einen lateinischen Ursprung. Gerade im Computerzeitalter wird dies durch Beispiele wie Server (servus), Access (accessus), Office (officium) und eben Computer selbst (computator) offensichtlich. Durch sein Vokabular, von dem in den ersten vier Jahren ein Grundwortschatz von ca. 1400 Wörtern gelernt wird, wird Latein zur Basis und Brücke zu anderen Sprachen.

Zugleich hat Latein, wie der große Anteil der lateinischen Fremdwörter zeigt, die internationalen Fachsprachen stark beeinflusst. Latein war Wissenschaftssprache und ist es insofern heute noch, als die moderne Wissenschaft, Technik und Wirtschaft bei den Bezeichnungen und Bestimmungen neuer Erkenntnisse und Produkte immer wieder auf lateinisches (und griechisches) Sprachgut zurückgreifen (z.B. "Nivea" [niveus: schneeweiß] oder "Konsumterror" [consumere / terror]). Wie groß die Kraft des Lateinischen ist, Neuschöpfungen hervorzubringen, erkennt man an Alltagsbegriffen wie Omnibus oder Lokomotive (locus / movere), die wir kaum noch als Fremdwörter wahrnehmen.

Aber eine Sprache braucht nicht nur Wörter. Im Lateinunterricht beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler intensiv mit der Grammatik und der Syntax der lateinischen Sprache. Durch diese Auseinandersetzung mit lateinischen Texten, an deren Ende eine dem deutschen Sprachgebrauch angemessene Übersetzung stehen soll, werden Grundlagen über Aufbau und System von Sprache im Allgemeinen vermittelt. Latein ist eine Basissprache, die das logische Denken schult und ein Grundmodell für das Erlernen und Durchschauen von Sprache überhaupt anbietet.

Die Reflexion über Sprache im Lateinunterricht vertieft und verfeinert unmittelbar die Kenntnisse in der deutschen Muttersprache. Gerade weil die lateinische und deutsche Sprachstruktur nicht deckungsgleich sind, trainiert der tägliche Übersetzungsprozess die sprachliche Beweglichkeit und Kompetenz in der eigenen Sprache. Der Lateinunterricht ist somit auch Deutschunterricht aus dem Blickwinkel der grammatikalischen Metasprache.

Neben dem Umgang mit der Sprache spielt die Auseinandersetzung mit den Inhalten der lateinischen Texte eine zentrale Rolle. Dies geschieht durch die Interpretation der Texte. Da neben ihrem Sprachniveau auch die Komplexität ihrer Inhalte allmählich ansteigt, kann die Fähigkeit, eine angemessene Interpretation des Gelesenen zu formulieren, sukzessiv mitwachsen.

Ausgehend von Kunsttexten mit altersgemäßen Inhalten führt diese Entwicklung zur Auseinandersetzung mit bedeutenden Autoren der lateinischen Literatur wie z.B. Caesar, Cicero, Seneca oder Horaz. Die Begegnung mit Texten dieser Autoren zielt -\ so heißt es im Lehrplan- auf die Bewußtseinserweiterung der Schülerinnen und Schüler. Sie lernen im Lateinunterricht wesentliche Elemente der europäischen Kultur und Geschichte kennen, gewinnen Einsicht in Mythos, Kunst und Religion der Antike, begegnen der antiken Philosophie und setzen sich mit Grundfragen der menschlichen Existenz auseinander.

Die antike Kultur und Lebensweise ist uns dabei vertraut und zugleich fremd. Gerade diese Spannung von Vertrautheit und Fremdheit gegenüber den Inhalten der lateinischen Texte schafft eine ideale Voraussetzung dafür, die eigene Position zu profilieren oder auch zu hinterfragen. Die kritische Auseinandersetzung mit der antiken Geisteswelt hilft, die eigene Persönlichkeit auszubilden.

Sowohl für den Umgang mit Sprache als auch für den Umgang mit Inhalten bedarf es einer ausgeprägten Methodenkompetenz. So vermittelt der Lateinunterricht verschiedene Übersetzungsmethoden, allgemeine Regeln eines Sprachsystems, komparative und kontrastive Verfahren (z.B. Analogie) sowie die Sensibilität für ein genaues und mikroskopisches Lesen. In vielfältigen Formen wird die Visualisierung von sprachlichen und inhaltlichen Zusammenhängen eingeübt. Die nötige Lernarbeit fordert und fördert die Konzentration, Genauigkeit und Gründlichkeit. Bei der Interpretation schließlich geht es um den hermeneutischen Prozess, fremde Positionen angemessen zu erfassen und darzustellen und diese dann mit der eigenen Lebenswelt in einen fruchtbaren Dialog treten zu lassen. Kurz: Im Lateinunterricht werden grundlegende Techniken des Lernens gelernt, die auf andere Fächer übertragen werden können.


(2) Was spricht für Latein als erste Fremdsprache

Die Besonderheiten der lateinischen Sprache und die Kontrasterfahrung der antiken Lebenswelt spricht besonders Kinder im Alter von 10 Jahren an, da ihr Wissensdrang, ihre Lernbereitschaft und ihre Begeisterung für Neues sehr groß sind. Was Kinder in diesen Jahren lernen, kann Latein als zweite oder dritte Fremdsprache nur schwerlich erreichen.

Latein wird lesend gelernt- und zwar ohne zusätzliche Probleme durch Aussprache und Orthographie. Der durch das Hörverstehen und Nachsprechen initiierte Spracherwerb der Muttersprache (und gegebenenfalls auch einer Fremdsprache in der Grundschule) wird im Lateinunterricht systematisiert und reflektiert. Das trägt entwicklungspsychologisch der aufkeimenden Abstraktionsfähigkeit der Zehnjährigen Rechnung.

Durch die Arbeit an der lateinischen Sprache wird die Grammatik und die Sprachstruktur des Deutschen mitgelernt. So wird den Schülerinnen und Schülern Deutsch als Zielsprache fremder Gedanken besser verfügbar und sie haben die Chance, gegebenfalls Defizite in Ausdruck und Rechtschreibung abzubauen.

Jedes Kind, das die Bereitschaft zum Lernen mitbringt, kann bereits in der Klasse 5 Latein lernen. Besonders geeignet scheinen Kinder, die gerne lesen und kombinieren, die sich über das Gelesene Gedanken machen und für Fragestellungen aus dem Bereich der Geschichte interessieren.


(3) Die Sprachenfolge am Ludwig-Georgs-Gymnasium

Die Sprachenfolge am LGG ergibt sich aus den genannten Qualitäten von Latein als Basissprache. Nach dem Beginn mit Latein in Klasse 5 setzt bereits in Klasse 6 der Englischunterricht ein. In Klasse 9 können im Bereich des Wahlpflichtunterrichts Griechisch oder Französisch gewählt werden. Wer hier Griechisch wählt, hat in der Regel die Möglichkeit, ab Klasse 10 auch noch Französisch zu lernen. Italienisch und Hebräisch werden in Arbeitsgemeinschaften angeboten.

Um die inhaltlichen Aspekte des Lateinunterrichts zu veranschaulichen, führen wir seit einigen Jahren einen Schüleraustausch mit einem Liceo classico in Rom durch.

Das Latinum, nach wie vor in vielen Studiengängen gefordert, wird bei mindestens ausreichenden Leistungen am Ende der Klasse 10 erteilt. Wie die anderen Fremdsprachen kann auch Latein in der gymnasialen Oberstufe fortgeführt werden.


Weiterführender Literaturtipp:

Karl-Wilhelm Weeber, Mit dem Latein am Ende? Tradition mit Perspektive, Göttingen 1998.




Fachschaft Alte Sprachen des Ludwig-Georg-Gymnasiums Darmstadt(Kd/Lh)

Januar 2002